Fragt man einen Deutschen nach seinen positiven Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Niederländern, hört man oft Wörter wie „unkompliziert“ oder „innovativ“. Fragt man nach den weniger positiven Erfahrungen, wird gerne der in deutschen Augen etwas zu flexible Umgang mit Planungen genannt. Aus einem „Abgemacht“ kann am nächsten Tag aufgrund neuer Erkenntnissen ein „Wir machen es doch anders“ werden. Eine Änderungsgeschwindigkeit, die für manche Deutsche schwer zu verdauen ist … 

In den Niederlanden steht das gemeinsame Ziel im Vordergrund. Man macht einen nicht sonderlich detaillierten Plan und legt los. Ob es dabei linksherum oder rechtsherum geht, ist zweitrangig. Hauptsache, das Ziel wird erreicht. Gewinnt man unterwegs neue Erkenntnisse, wird der grobe Plan einfach abgeändert. Flexibilität und regelmäßige Rücksprache ermöglichen ein schnelles Reagieren auf Veränderungen. Die Niederländer nennen das „voortschrijdend inzicht“, also fortschreitende Einsicht. Eine Gesetzmäßigkeit, die auf die lange Geschichte als Handelsnation am Wasser zurückzuführen ist.

Die geografische Lage der „niederen Lande“ hat das Land geprägt. Im Kampf gegen das Wasser war man seit eh und je gezwungen, sich zusammenzuraufen, ohne Unterschied von Rang und Stand. Auf Überschwemmungen musste nun einmal schnell reagiert werden. Pragmatismus war und ist immer noch überlebensnotwendig, schließlich liegt ein Viertel des Landes unter dem Meeresspiegel. Aufgrund dieses Wassermanagements avant la lettre konnte ein pragmatischer Umgang miteinander und mit den Elementen über viele Jahrhunderte hinweg eingeübt werden.

Das viele Wasser brachte natürlich nicht nur Nachteile, sondern auch viele Vorteile mit sich: Die Wasserwege eigneten sich hervorragend für den Warentransport und damit für den Handel. Und dabei kam der gelernte Pragmatismus gerade recht. Die Kaufleute ordneten vieles dem freien regionalen und internationalen Handel unter – für Haarspalterei war kein Platz. Noch immer spielt die Einhaltung des Dienstwegs in den Niederlanden eine untergeordnete Rolle, die korrekte Form ist kein Wert an sich. Man bleibt miteinander im Gespräch, sodass man im Falle einer „fortschreitenden Einsicht“ gemeinsam und zupackend agieren und reagieren kann.

Und darin liegt ein erheblicher deutsch-niederländischer Kulturunterschied. Denn in Deutschland plant man gerne bis ins letzte Detail und sichert alles ab, bevor man loslegt. Spontane Änderungswünsche sind dabei nicht vorgesehen, die Dinge sollen wie geplant ihren Lauf nehmen. Diese systematische und strukturierte Planung und Organisation macht man in Deutschland nicht zum Vergnügen – dahinter steckt die feste Überzeugung, dass die anstehenden Aufgaben so am besten bewältigt werden können.

Für eine Erklärung müssen wir weit in die Geschichte zurückgehen, nämlich in die Zeit, in der Regeln das Zusammenleben innerhalb der germanischen Stämme bestimmten. Die Verbindung mit christlichen Normen im Mittelalter sorgte dafür, dass Regeln immer mehr als universell gültig betrachtet wurden. Schwere Krisen, wie der 30-jährige Krieg oder die Kriege des 20. Jahrhunderts, verstärkten die Sehnsucht nach Stabilität und Ordnung und verfestigten die Tendenz zur Wertschätzung von Regeln und Strukturen. Und so überlassen viele Deutsche auch heute am liebsten nichts dem Zufall.

Dieser Kulturunterschied könnte Zündstoff für die deutsch-niederländische Zusammenarbeit bergen. Muss es jedoch nicht. Denn wer weiß, wie der Gesprächspartner tickt und was kulturhistorisch dahinter steckt, kann sich darauf einstellen. Dann wirkt manches Verhalten nicht nur unverständlich oder stur, sondern erhält auch eine menschliche Note. Auf dieser Grundlage kann man gemeinsam Strukturen entwickeln, die für beide Seiten akzeptabel sind und die Interessen beider Partner abdecken.

Kommt Ihnen die eine oder andere Herangehensweise bekannt vor? Ich bin gespannt auf Ihre Erfahrungen!

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