Niederländische Geschäftsführung, deutsche Mitarbeiter, Firmensitz im deutschen Neuenhaus unweit der niederländischen Grenze. Die Kunden: niederländische Unternehmer, die den deutschen Markt betreten möchten – Theeuwen Marketing plus profitiert optimal von der Grenze und kennt gleichzeitig keine Grenzen. Seit mehr als 15 Jahren stellt Gründer und Inhaber René Theeuwen erfolgreich Kontakte zwischen niederländischen und deutschen Unternehmen in der Fertigungsindustrie her und hat in dieser Zeit einen reichen Erfahrungsschatz sammeln können. Höchste Zeit also für ein Interview mit Ingeborg Lindhoud über grenzüberschreitendes Arbeiten und die Überbrückung von Kulturunterschieden.

Bereicherung fürs Leben

„Ich lebe und arbeite im Grünen und kombiniere das Beste aus zwei Welten.“ Für René Theeuwen hat der private und geschäftliche Umzug nach Deutschland gut funktioniert. Die stark gestiegenen Immobilienpreise in den Niederlanden hat ihm die Entscheidung vor 15 Jahren leicht gemacht. Bis auf den heutigen Tag hat er sie nicht bereut.

Im Auftrag niederländischer Kunden bearbeitet Theeuwen Marketing plus den deutschen Markt: Neukundenakquise, Angebotsbetreuung, Terminvereinbarungen, Messebegleitung und Netzwerkaufbau. Das heißt: Viel telefonieren und pro-aktiv daran arbeiten, den Kundenkreis zu erweitern oder Kunden und Lieferanten miteinander in Kontakt zu bringen. Kurz nach seinem Umzug nach Deutschland hat er auch deutsche Kunden dabei unterstützt, auf dem niederländischen Markt Fuß zu fassen. Recht bald stellte sich jedoch heraus, dass Deutsche und Niederländer dabei sehr unterschiedlich vorgehen. In Deutschland muss man für den Vertrauensaufbau und damit für erste Aufträge einfach mehr Zeit einplanen. „Im Vorfeld kann man gar nicht sagen, wie sich die Geschäftsanbahnung entwickelt und wann erste Bestellungen getätigt werden. Dann gibt es schon mal Diskussionen, wenn die erste Rechnung fällig ist und zwar viele Kontakte angebahnt, jedoch noch keine Aufträge hereingekommen sind. Auch Niederländer wollen natürlich, dass Butter bei die Fische getan wird. Allerdings vertraut man in den Niederlanden schneller darauf, dass alles schon gut laufen wird“, so ist seine Erfahrung. Inzwischen richtet er sich spezifisch auf die niederländische Fertigungsindustrie, und dabei vor allem auf die Metallindustrie, die er dabei unterstützt, in Deutschland erfolgreich Geschäfte zu machen.

Ein Blumenstrauß als Willkommensgruß

Sechs deutschsprachige technische Vertriebsmitarbeiterinnen unterstützen ihn und seine Frau dabei. „Alles Frauen, das kommt bei deutschen Kunden gut an“. Ein großer Unterschied zu vielen deutschen Firmen ist, dass alle Mitarbeiterinnen im Homeoffice arbeiten. Dafür muss man allerdings darauf vertrauen können, dass die Arbeit auch im Homeoffice ganz normal erledigt wird. Für ihn kein Thema. „Ich habe wenig Lust, meine Mitarbeiterinnen ständig zu kontrollieren. Wir haben viele Skype-Chats und ich achte stark auf Sachen wie Zuverlässigkeit, Selbstdisziplin und Selbstmotivation. Bisher funktioniert es reibungslos.“

Selbst arbeitet er seit 20 Jahren im Homeoffice, er kann jedoch gut nachvollziehen, dass die coronabedingte plötzliche Umstellung auf Heimarbeit für viele Menschen nicht einfach ist. Für sie hat er noch einige Tipps, wie man möglichst gut mit der Situation umgehen kann. „Bringen Sie Struktur in Ihren Alltag, stehen Sie zeitig auf und fangen Sie zur normalen Uhrzeit an. Arbeiten Sie, wenn möglich, in einem separaten Raum (Büro) und nicht am Küchentisch, achten Sie auf Ihren Rücken. Betrachten Sie das Heimbüro nicht zu sehr als „Arbeit“, sondern integrieren Sie die Arbeit in Ihr Privatleben – Selbstdisziplin und Selbstmotivation sind die Zauberworte.“

Seine Unternehmenskultur umschreibt er als eher niederländisch. Das zeigt sich nicht nur in der offenen und direkten Kommunikation, sondern auch in vielen Kleinigkeiten. „Jeder neuen Mitarbeiterin schicke ich nach Ablauf der Probezeit einen Blumenstrauß als Willkommensgruß. Das ist sehr niederländisch. Bei einer der Frauen reagierte der Mann ein wenig argwöhnisch, von wem die Blumen denn seien“, schmunzelt René. Das hindert ihn nicht daran, mit diesen typisch niederländischen Aufmerksamkeiten weiterzumachen. „Es fördert die Zusammenarbeit und das gegenseitige Vertrauen.“

Duzen muss nicht immer sein

Über die Frage, welche Vorteile es hat, in Deutschland zu leben und zu arbeiten, braucht René nicht lange nachdenken. „Hier gibt es Ruhe, Platz, Natur, ein Gefühl der Freiheit und auch viel Klarheit. In Deutschland weiß man schnell, woran man ist und die Mentalität gefällt mir gut.“ Nachteile sieht er natürlich auch. „In Deutschland ist man nicht immer flexibel im Denken und viele Deutsche haben Angst, ihre Meinung zu äußern, häufig aus Angst um ihren Job. Deutsche sind auch weniger optimistisch, 65 % sind mit ihrem Job unzufrieden, aber da kann man meistens nicht viel machen.“

Niederländer sind oft positiver eingestellt, agieren und reagieren schneller und haben weniger Zurückhaltung, ihre Meinung zu äußern, so fällt ihm auf. „Arbeiten soll schon ein bisschen Spaß machen“, lautet das Motto und das spürt man irgendwie. Als Nachteil empfindet er, dass es in den Niederlanden oft hektisch zugeht. Auch das ständige Duzen und die Anrede mit Vornamen stoßen bei ihm nicht wirklich auf Begeisterung. „Vielleicht bin ich in der Hinsicht schon zu sehr eingedeutscht“, fügt er mit leichtem Selbstspott hinzu.

Strategie und langer Atem erforderlich

Für ihn springt bei der Betreuung niederländischer Unternehmen eine Sache besonders ins Auge: Niederländer machen ihre Hausaufgaben nicht. „Deutschland ist der größte Absatzmarkt. Der Markt ist sehr interessant, aber auf niederländischer Seite besteht keine Bereitschaft, sich vorher mit Markt und Geschäftskultur auseinanderzusetzen. Bei vielen Unternehmen besteht die Annahme, dass die Geschäftskultur ungefähr so wie in den Niederlanden ist – ein großer Fehler. Eine vollständige Anpassung ist nicht notwendig, aber die Spielregeln sollte man schon kennen.“

Das versteht nicht jeder. Mit Entsetzen denkt er an ein niederländisches Unternehmen, dass – ohne vorherige Rücksprache mit ihm – einem potenziellen deutschen Kunden ein Angebot mit der Anrede „Lieber Hans“ schickte. „Jeder, der Ahnung von Deutschland und der deutschen Geschäftskultur hat, weiß, dass man sich damit sofort aufs Abstellgleis begibt.“ Nach seiner Ansicht unterschätzen niederländische Unternehmer häufig die kulturellen Unterschiede und bereiten sich unzureichend vor. „Mit einem „wir schauen halt, wo das Schiff strandet und was sich da so ergibt“, kommt man in Deutschland nicht weit“, weiß er aus Erfahrung. „Auf Unternehmensseite besteht wenig Verständnis dafür, dass man als niederländischer Zulieferer eine andere Position in der Lieferkette innehat als ein deutscher OEM und dass der Wettbewerb in Deutschland hart ist. Für Arroganz ist sicherlich kein Platz.“

Zum Glück gibt es auch Firmen, die bereit sind, in eine langfristige Geschäftsbeziehung zu investieren und die sich ihrer Position im Markt bewusst sind. Die Begleitung solcher Unternehmen ist für ihn wie die sprichwörtliche Kirsche auf der Torte.

Und was hat es nun mit dem bekannten Foto der aneinander geknüpften deutschen und niederländischen Fahne auf sich? Das war seine Idee, die Fahnen hat er selbst geknüpft und das Bild hing früher in seinem Büro an der Wand. „Ein schönes Symbol für das, was wir tun“, meint René dazu, „Kontakte knüpfen zwischen den Niederlanden und Deutschland.“

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