Es war ein festlicher Moment. Meine deutsche Kollegin, mit der ich seit vielen Jahren zusammenarbeite und die ich immer mit „Sie“ oder „Frau X“ angeredet hatte, bot mir das Du an. Für mich als Niederländerin nichts besonders, denn ich duze meine niederländischen Kunden und Kollegen ganz selbstverständlich, meistens schon von Anfang an. Aber ich wusste, dass das Anbieten des Du für viele Deutsche ein besonderer Moment ist, wo eine gute in eine sehr gute Geschäftsbeziehung übergeht. Und so haben wir unsere angenehme Zusammenarbeit feierlich und locker plaudernd – natürlich in der Du-Form – mit einem Glas Champagner besiegelt.

Im niederländischen Geschäftsleben spielt das „Sie“ eine eher untergeordnete Rolle. Mitarbeiter untereinander duzen sich generell und auch die Chefs werden in den allermeisten Fällen ganz selbstverständlich geduzt. Daher wird Niederländern in jedem Sprachkurs Business-Deutsch eingeprägt, dass die deutsche Jobkultur formeller ist und dass man seine deutschen Geschäftspartner siezen soll. Auch ich beherzige diese Regel immer – sicher ist sicher. Es scheint sich jedoch in der deutschen Jobkultur etwas zu ändern.

Immer öfter “per Du”

Die Online-Jobbörse Stepstone hat zusammen mit der Personalberatung Kienbaum eine Untersuchung durchgeführt. Für die Studie wurden 17.000 Fachkräfte dazu gefragt, wie Mitarbeiter untereinander und gegenüber Chefs kommunizieren. Das Ergebnis: Im deutschen Wirtschaftsleben wird immer häufiger und auf allen Ebenen geduzt.

Dies sei keine einfache Folge des Zeitgeistes, der Globalisierung und der Internationalisierung des Berufslebens. Die informelle Ansprache hat vielmehr damit zu tun, wie Menschen heutzutage zusammenarbeiten. Nicht nur werden Entscheidungen schneller getroffen, oft sind auch mehrere Hierarchieebenen miteinbezogen und nicht mehr, wie früher, ausschließlich die Führungsetage. Das Du bildet also das gewandelte Berufsleben im 21. Jahrhundert ab.

Nur noch drei Prozent der Befragten gaben an, dass sich an Ihrem Arbeitsplatz sämtliche Mitarbeiter siezen. Und in einem Drittel der befragten Firmen herrscht eine ausgesprochene Duz-Kultur und duzen sich alle Mitarbeiter. Vor allem in kleineren Unternehmen und in bestimmten Branchen, wie in der Informationstechnologie und in der Kommunikationsbranche, geht es informell zu. Besonders radikal ist die Entwicklung bei deutschen Großunternehmen mit mehr als 100.000 Mitarbeitern. Wäre es früher undenkbar gewesen, dass sich die Kollegen untereinander duzen, siezen sich heute nur noch weniger als ein Prozent aller Mitarbeiter.

Der goldene Mittelweg

Brechen nun goldene Duz-Zeiten für informelle Niederländer im Umgang mit ihren deutschen Geschäftspartnern an? So einfach ist es dann doch nicht. Einige Branchen, wie die Metallindustrie, die Bankenwelt und der öffentliche Dienst, leisten hartnäckig Widerstand und halten gerne an der Sie-Form fest. Besonders im Mittelstand ist eine Mischform entstanden: Kollegen werden geduzt, während die Chefs gesiezt werden. Gerade diese Mischform wird als sehr stressig empfunden, denn sie erfordert permanent Entscheidungen. Außerdem fühlt sich mancher Deutscher doch nicht ganz wohl beim vertrauten Du und hält die Nähe, die durch das Du entsteht, im geschäftlichen Umfeld für nicht sehr erstrebenswert. Dienst ist schließlich Dienst und Schnaps ist Schnaps.

Die Regel, seine deutschen Geschäftspartner zu siezen, sollte man als Niederländer also nicht so schnell über Bord werfen. Aber je nachdem, in welcher Branche Sie arbeiten, kann auch Ihnen früher oder später das Du angeboten werden – feierlich besiegelt mit einem Glas Champagner. Prosit!

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