Gehören auch Sie zu den Menschen, die sich gerade nach wärmeren Gefilden sehnen? Dann sind Sie wahrscheinlich kein Niederländer oder keine Niederländerin! Denn in den Niederlanden ist die Stimmung derzeit blendend. Es friert, und das bedeutet nur eins: Eis – in seiner natürlichsten Form.

Niederlande in Eislauffieber

In den Niederlanden ist in den letzten frostigen Tagen ein fast kollektives Eislauffieber ausgebrochen. Wiesen werden unter Wasser gesetzt und liebevoll gehegt und gepflegt, bis die Eisschicht dick genug ist, um dem Ansturm niederländischer Schlittschuhläufer widerstehen zu können. Eisvereine kämpfen darum, auf welcher Eisbahn das erste Marathonrennen auf Natureis ausgetragen werden kann. Und wenn es so lange friert, dass auch die Seen und Kanäle zufrieren, gibt es gar kein Halten mehr! Dann frönen die Niederländer ihrer Leidenschaft fürs Eislaufen, machen „eisfrei“ und genießen die Eislauftouren durch die Polder, komplett mit Versorgungsständen („koek-en-zopie“) für alle müde und hungrig gelaufenen Schlittschuhfans. Denn ehe man sichs versieht, kann auch die schönste Eisfläche innerhalb von Stunden wieder weggetaut sein. Und dann muss man warten, bis sich die Wettergötter wieder erbarmen.

Holländische DNA

Schon immer haben die Niederländer gewusst, wie man sich am besten mit dem vielen Wasser arrangiert – im Sommer und im Winter. Angeblich zählen Schlittschuhe sogar zu den wichtigsten Transportmitteln in den Niederlanden, so erklärte eine amerikanische Journalistin die vielen Eislaufmedaillen während der letzten Olympischen Spiele… Tatsächlich boten die zugefrorenen Flüsse und Kanäle vor allem während der kleinen Eiszeit hervorragende Transportmöglichkeiten. Aber in der heutigen Zeit? Das geht dann doch sehr weit ? Immerhin: Schlittschuhlaufen gehört zur niederländischen DNA. Und symbolisiert wie kaum ein anderer Sport die niederländische Kultur.

Ohne Unterschied von Rang und Stand

Beim Schlittschuhlaufen fallen die gesellschaftlichen Schichten weg. Und das war schon immer so. Bereits die alten niederländischen Meister malten das Wimmeln auf dem Eis: Elegante Herren und Damen, einfache Leute und Bedienstete, die auf Kufen oder mit Pferdeschlitten quer durcheinander übers Eis glitten. Ränge und Stände? Nebensache. Das Vergnügen auf dem Eis spiegelte wie kaum ein anderer Zeitvertreib die egalitäre niederländische Gesellschaft wider.

Soziale Funktion

Auch später, während der „Versäulung“ in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, brachte das Eis die Menschen zusammen. Der einzige Eisverein im Dorf bildete sozusagen „neutrales Gelände“, wo Katholiken und Protestanten, Sozialisten und Liberale einander begegneten. Man kümmerte sich gemeinsam um die Pflege und Instandhaltung der Eisbahnen und um die Mitglieder. Denn bevor es soziale Unterstützung gab, war der Winter für viele Menschen eine harte Zeit ohne viel Arbeit und Einkünfte. Die Erlöse der Schlittschuhrennen, die von den örtlichen Eisvereinen organisiert wurden, wurden dann unter den Bedürftigen verteilt – egal, welcher Säule man angehörte.

Kollektives Wintervergnügen

Heutzutage gibt es noch ein paar Hundert Eisvereine und Natureisbahnen, vor allem in den nördlichen Provinzen und den Poldern. Sie sind eine wichtige Brutstätte für Eislauftalente – viele der heutigen Profis und olympischen Medaillengewinner haben hier ihre ersten wackeligen Schritte auf dem Eis gemacht. Und sie bilden das Rückgrat des winterlichen Dorflebens und sorgen so dafür, dass die Niederländer weiterhin auf Kufen durch die Landschaft gleiten können.

Und wer weiß… vielleicht friert es eines Tages doch noch einmal so stark, dass die bekanntesten friesischen Worte der Niederlande wieder ausgesprochen werden können: „It sil heve“ oder „It giet oan“. Und die berühmte, fast 200 km lange „Elfstedentocht“ zum ersten Mal seit 1997 wieder gelaufen werden kann.

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